Bio, Vegan, Nachhaltigkeit und gesundheitsfördernde Ernährung: Die Siegel-Flut im Handel ist groß. Doch auch für die Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie gibt es immer mehr Möglichkeiten, sich bei den Themen Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung mit Logos und Zertifikaten abzuheben. Doch welche Zertifizierungen gibt es für die Gemeinschaftsverpflegung? Und welche Qualität steckt dahinter? Ich gebe einen Überblick über Siegel, Logos und auch nachhaltige Aktionen mit Projektpartnern.
Möchte sich ein Betrieb ein aussagekräftiges Logo auf die Fahne schreiben, müssen auch entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden. Sonst ist die Überraschung in den Kontrollen, Audits und allgemein in der Umsetzung der Standards groß. Besonders die Kosten können außerplanmäßig explodieren. Gerade in aktuellen Krisenzeiten sind schnelle Entscheidungen ohne ein sicheres Konzept ein riskanter Weg.
Mit zum Beispiel einem veganen V-Label, DGE-Logo oder dem Bio-Siegel kann ein Betrieb kennzeichnen, dass seine Speisen-Qualität geprüft ist und die Kriterien auch kontinuierlich umsetzt werden. Solche Zertifizierungen sind immer gefragter. Zum einen, um sich auf dem Markt gegenüber den anderen innovativen Mitbewerbern durchsetzen zu können. Zum anderen, um den Wunsch der Tischgäste nach einer gesunden und nachhaltigen Ernährung gerecht zu werden.
Welche Zertifizierung in der Gemeinschaftsverpflegung Sinn macht, muss jeder Betrieb für sich selber entscheiden. Sich mit Qualität von der Konkurrenz abzuheben und sich im Bereich gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit auszeichnen zu lassen, ist jedoch in jedem Fall ein guter Weg – auch, oder besonders jetzt in angespannten Zeiten.
Immer mehr Küchen in der Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie setzen dauerhaft Bioprodukte ein. Werden Bio-Speisen als solche im Speisenangebot ausgezeichnet, ist dieser Betrieb nach dem Öko-Landbaugesetz kontrollpflichtig. Er muss sich vorab zertifizieren lassen.
Die Bio-Zertifizierung geht in fünf einfachen Schritten. Diese zeigt die Initiative BioBite übersichtlich und praxisnah auf:
Art- & Menge des Bio-Einsatzes festlegen:
Hier gilt: klein anfangen. Auch bei steigenden Preisen ist eine Bio-Zertifizierung mit wenig Aufwand möglich. Schon mit einem Komplett-Austausch von einzelnen Zutaten können Betriebe sich in Punkto Nachhaltigkeit positionieren. Dafür eignen sich besonders gut planungssichere Rohstoffe wie Nudeln, Reis oder Kartoffeln. Der Umstieg auf Bio-Qualität ist geringer, als bei ganzen Bio-Menüs oder sogar 100 Prozent Bio im Angebot.
Bio-Kontrollstelle auswählen und Vertrag zur Bio-Zertifizierung abschließen: Übersicht aller in Deutschland zu- gelassenen Öko- Kontrollstellen
Unterlagen für Betriebsbeschreibung vorbereiten:
Dazu zählen: Lageplan des Betriebes als Skizze (mit Lager, Küche, Ausgabe), Organigramm oder Liste des Personals mit Verantwortlichkeiten, gegebenenfalls Liste aller Standorte mit Anschriften und Ansprechpersonen, aktuelle Bio-Zertifizierung bzw. Zertifikate aller Bio-Lieferanten, Muster der Kommunikationsmittel, mit denen der Bio-Einsatz ausgelobt wird (z.B. Speisenplan, Webseite).
Inspektion vor Ort durch Kontrollstelle:
Hier liegt ein besonderes Augenmerk auf: Aktualität der Betriebsbeschreibung, korrekte Auslobung des Bio-Angebotes, Trennung in Lagerung und Verarbeitung sowie Warenflussprüfung (nicht zwingend, wenn einzelne Zutaten komplett ausgetauscht werden).
Kontrollbericht und Bio-Zertifikat:
Die Kontrollstelle verfasst einen Kontrollbericht mit gegebenenfalls Hinweisen und Auflagen für den Betrieb. Nach erfolgreichem Abschluss der Erst-Kontrolle erhält der Betrieb die Bio-Zertifizierung beziehungsweise das Bio-Zertifikat. Die Kontrolle wird jährlich (bei Bedarf auch häufiger) wiederholt.
Weiterführende Informationen zum Einstieg in die Bio-Küche sind auf dem Informationsportal www.Ökolandbau.de von der BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) bereitgestellt.
Während in der Bio-Zertifizierung die Integrität von Bio-Lebensmitteln im Fokus steht, berücksichtigt das Zertifikat von der DGE alle Küchen-Prozesse. Die Prüfung in den Betrieben ähnelt nach meiner Einschätzung einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Dieser umfasst eine Methode aus dem Qualitätsmanagement (ISO 9001), mit internen und externen Audits.
Um eine vollwertige und gesundheitsfördernde Verpflegung ausloben zu können, müssen die Kriterien mehrere Qualitätsbereiche erfüllen:
Lebensmittel
Vorgegebene Häufigkeiten optimaler Auswahl bestimmter Lebensmittel, etwa Obst, Gemüse und Rohkost.
Speiseplanung und Speiseherstellung
Prüfung der Zubereitung, Warmhaltezeiten, Temperaturen sowie die altersgerechte Ausgestaltung der Speisepläne.
Hygieneaspekte, QM, Kommunikationsmaßnahmen
Rechtliche Vorgaben zur Qualitätssicherung in der Speisenverpflegung, Vorgaben der DGE zur Kommunikation (zum Beispiel Auszeichnung auf Flyern und Homepage).
Lebenswelt
Spezifische Rahmenbedingungen der Einrichtungen (Essatmosphäre, Pausenzeiten und Kundenservice).
Die Kriterien von Nachhaltigkeit in den neuen DGE-Qualitätsstandards sind als Orientierung zu verstehen. Es wird praxisbezogen erläutert, welche Wege es für eine nachhaltige Verpflegung gibt. Eine Auszeichnung von Nachhaltigkeit (zum Beispiel Bio-Lebensmittel) ist kein Kriterium für eine DGE-Zertifizierung. Die DGE-Qualitätsstandards beinhalten vielmehr Empfehlungen zur Nachhaltigkeit und benennen vier Dimensionen dazu: Ökologie, Gesellschaft, Wirtschaft und – im Zusammenhang mit Ernährung – zusätzlich auch Gesundheit.
Aus Gründen der Nachhaltigkeit wurden zum neuen DGE-Standard wichtige Prüfpunkte überarbeitet.
Betriebe müssen seit Januar 2022 keinen „Seefisch“ mehr anbieten, sondern nur noch „Fisch“. So wird der Überfischung der Meere entgegengewirkt.
Beim sensibleren Thema zu fettreichem Fisch gelten auch mittelfettige Fische als konform.
Fleischgerichte sind in der Häufigkeit auf maximal ein Mal die Woche reduziert worden (zum Beispiel in Schulen/Kitas mit fünf Verpflegungstagen). Mit diesem nachhaltigen Schritt müssen Betriebe die pflanzenbasierte Verpflegung noch mehr im Fokus rücken.
Als Basis der DGE-Zertifizierung dienen die jeweiligen DGE-Qualitätsstandards für die verschiedenen Lebenswelten. Weiterführende Informationen finden Sie auf der Webseite von der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.).
Die Auszeichnung mit dem RAL Gütezeichen unterscheidet sich von anderen Zertifizierungen am Markt dadurch, dass der Antragsteller Mitglied in der Gütegemeinschaft Ernährungs-Kompetenz e.V. wird. Diese stellt einen Interessenverband qualitätsorientierter Unternehmen dar, die sich zur Überwachung durch neutrale Fremdprüfer (externe Auditoren) und Eigenkontrollen (interne Audits) verpflichten.
Ganz abgesehen vom Gütezeichen als Aushängeschild für Qualität, profitiert das ausgezeichnete Mitgliedsunternehmen vom Austausch, der Expertise und Kompetenz der Gemeinschaft. Es bringt die Unternehmen weiter und kann das Niveau in der Branche anheben. Das Aushängeschild für geprüfte Speisenqualität wurde entwickelt für:
Kliniken
Senioreneinrichtungen
Schulen und Kitas
Gastronomie
Catering
Die Vergabekriterien für das RAL Gütezeichen werden in einem neutralen Verfahren unter Einbezug von unter anderem Fachgesellschaften sowie Berufs- und Verbraucherverbänden entwickelt. Deren Expertise fließt in die Gütesicherung ein. Somit ist die Vergabe des Gütesiegels objektiv, interessenneutral und firmenunabhängig.
Der Arbeit der Gütegemeinschaft liegt die Überwachung durch RAL-Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung zugrunde. Während beim DGE-Standard regulär nur eine Menülinie geprüft wird, bezieht sich die Auszeichnung des Gütezeichens auf das gesamte Speisenangebot.
Das RAL Gütezeichen Kompetenz richtig Essen steht für:
Unabhängig geprüfte Ernährungskompetenz, nach den aktuellen ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen.
Lückenlose Transparenz auf allen Ebenen der Lebensmittel- und Speisenproduktion im Betrieb.
Hohe Lebensmittelsicherheit, gemäß den geltenden lebensmittelrechtlichen Verordnungen.
Überdurchschnittliche Hygienestandards.
Interaktive Broschüren mit weiterführenden Informationen finden Sie hier oder auf www.gek-ev.de.
Ganz ohne Zertifizierung und Kontrollbesuchen sucht das Forschungsprojekt BiTe (Biodiversität über den Tellerrand) Praxispartner in der Gemeinschaftsverpflegung. Das Forschungsteam untersucht, wie sich das Speiseangebot der Gemeinschaftsverpflegung nachhaltiger und artenschonend gestalten lässt und wie die Nachfrage von biodiversitätsfreundlichen Mahlzeiten gesteigert werden kann.
Ist das Speisenangebot einmal nachhaltiger gestaltet, gilt es dieses auch an die Gäste zu bringen. Dabei kommt die Methodik des Nudgings zur Hilfe. In Aktionswochen werden Gäste durch „Anstupsen“ in Richtung der wünschenswerten Entscheidung gelenkt. Solche Nudges können eine Auslobung an Gerichten im Speisenplan, Aufsteller, Infoposter oder Tischsets sein.
Bundesweit ist die Gemeinschaftsverpflegung zum Mitmachen aufgerufen
Durch Workshops und der Bereitstellung der Aktionskonzepte werden die Küchen bei der Umsetzung fachlich durch das Forschungsteam begleitet. Erste Informationsveranstaltungen starten im Oktober 2022. In der ersten Jahreshälfte 2023 können Betriebe dann Aktionswochen in den Einrichtungen umsetzen. Alle wichtigen Informationen zum Projekt und Voraussetzungen zur Teilnahme finden sich im Projekt-Flyer.
Interessierte können sich bei Anita Menzel vom Institut für Nachhaltige Ernährung der FH Münster unter der E-Mail-Adresse anita.menzel@fh-muenster.de melden.
Für Liebhaber der veganen und vegetarischen Welt vergibt ProVeg das V-Label. Im pflanzenbasiertem Mega-Trend versprechen die Logos einen schnellen und einfachen Überblick über vegetarische oder vegane Lebensmittel. In der Gemeinschaftsverpflegung werden die V-Label derzeit allerdings nur für Produkte vergeben und nicht für Menülinien oder Speisen. Die Zertifizierung von Speisen ist derzeit in der Systemgastronomie in einer Pilotphase. Es ist gut denkbar, dass in dieser sinnvollen Entwicklung zukünftig auch ganze Menüs und Speisen mit dem V-Label als „vegan“ oder „vegetarisch“ gekennzeichnet werden können.
Das V-Label ist eine international anerkannte und geschützte Marke zur Kennzeichnung vegetarischer und veganer Produkte. Weiterführende Informationen unter www.v-label.eu.
Welche Zertifizierung, Auszeichnung und auch Aktionen in der Gemeinschaftsverpflegung für wen Sinn macht, muss jeder für sich selber entscheiden. Was kann und will ich als Betrieb leisten? Und was hat der Kunde als Tischgast davon? Gesunde vegane Ernährung sowie Nachhaltigkeit auszeichnen ist auf jeden Fall ein guter Weg. Denn der Markt dafür ist da. Meine Empfehlung an jeden Einzelnen: Authentizität funktioniert immer am besten. Wichtig ist zudem, alle Mitarbeiter mit auf Qualitätskurs zu nehmen. Dann stehen alle Zeichen auf Erfolg.