Topinambur 

vergessenes Gemüse

Bildunterschrift: 

Topinambur vergessenes Gemüse


„Was sind das eigentlich für Strempel hier an der Gartenmauer“ fragte mich im vergangenen Herbst die oberste Gartenaufsicht. „Äh, das sind vertrocknete Sonnenblumen, die mache ich noch weg.“ Dann, beim Herausziehen der trockenen Stängel, fiel es mir wieder ein. Ich hatte im Frühjahr einige Topinamburreste an die besagte Mauer geworfen und mich im Sommer über schöne kleine Sonnenblumen gefreut, aber die Topis komplett vergessen. Und heute begegnen mir diese Knollen auf unterschiedlichen Genussebenen. In einem Gartenkatalog werden sie feilgeboten. Drei Stück für 6,99 € plus Versand. Uiih! Mich begleiten diese Warzigen bereits seit vierzig Jahren, denn als ich sie damals irgendwo im Garten in den Boden brachte, wuchsen sie immer treu und brav an eben dieser Stelle und in anderen Gartenecken. 


Meistens belieferte ich damit ein bekanntes Restaurant in Sinzig. Aber es gab auch schon mal ein Gratin, zusammen mit Kartoffelnscheiben.  Heute entdecke ich in einer kulinarisch orientierten Zeitschrift ein Rezept mit Topinambur von Marcus G. Lindner, dem östereichischen Zweisterner. Kalbbshacktäschle mit Kalbskopf, Topinamburpürree, Entenleber und Tuber magnatum Pico. Meisterhaft in Szene gesetzt. Mutig finde ich, denn nicht jeder mag den Geschmack dieser Knolle, die botanisch zu den Sonnenblumen, Helianthus tuberosus, gehört. 


Aber Artischocken mag auch nicht jeder und bei gutem Willen schmeckt Topi ähnlich. Ich würde das Rezept im Herbst ja nachkochen, aber weiße Trüffeln/Tuber magnatum, müsste ich wohl durch die heimischen Exoten Tuber uncinatum/Burgundertrüffel ersetzen und die gibt es hier reichlich, wenn man weiß, wo man suchen muss. Und ich weiß es. Tja,  in der besagten Zeitschrift (eher Buch) finde ich einige Rezepte, die Althergebrachtes raffiniert aufarbeiten. Meerrettich, Schwarzbrot. Karpfen, Waller (Wels) Mangalitzaspeck, gegrillte Austern, Rettich, Rote Bete (ich mag die Crapaudine-Variante noch lieber), Fenchel, Spitzkohl, Blumenkohl und eine Kombination mit Saibling, Schweinebauch Gurke und Senf. Schräg oder? Die MeisterInnen der Gasthäuser entdecken die Zutaten, die drohten, in Vergessenheit zu geraten und Junkfood zu weichen. Chapeau! Topinambur hat viele Bezeichnungen, kann man nachlesen. Vielleicht ein Tipp, wenn man diese Rhizome zu Suppe werden lassen will. Schälen und in Milch kochen, pürrieren, dann abschmecken und Sahne hinzufügen. In Milch kochen deshalb, weil sich, in Wasser gekocht, eine völlige Graufärbung breit macht und an manches erinnert. Die Schalen und Reststücke wieder im Garten vergraben, oder in einem großen Topf auf dem Balkon, aber immer an anderer Stelle, sonst sinkt der Ertrag. Im Topf jedes Jahr die Erde erneuern. 


Medizinisch sind diese bizarren Neophyten besonders bei Diabetes zu empfehlen, denn sie enthalten eine Vorform von Zucker, das Inulin. Es gibt sehr viele Sorten dieser Erdbirnen und in manchen Gegenden wird aus ihnen auch ein Schnaps gebrannt, Rossler genannt. Ich empfinde, der schmeckt auch so!

Ein Beitrag von Frank Krajewski - Pilzsachverständiger und Mykotainer

Frank Krajewski lebt in Remagen und ist geprüfter Pilzsachverständiger der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. Er arbeitet als Pilzführer, Referent für pilzspezifische Vorträge in Deutschland, Frankreich und Ungarn sowie als Berater bei Pilzvergiftungen an Kliniken.