Personalakquise im Lebensmittelbereich
verschiedene Wege führen zum Ziel
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels stellt die Akquise ausreichend qualifizierten Personals eine große Herausforderung für Unternehmen der Ernährungs- und Lebensmittelwirtschaft dar.
Die Corona-Krise hat generell zwar kurzzeitig zu einem Nachfrageeinbruch am Arbeitsmarkt geführt (z. B. durch Einstellung-Stopps, Kurzarbeit), jedoch ist seit Jahresmitte 2020 wieder eine Zunahme der Fachkräftelücke bei Hochqualifizierten zu verzeichnen (Burrstedde et al., 2021). Erschwerend kommt hinzu, dass pandemiebedingt weniger Interessenten am Ausbildungsmarkt zur Verfügung stehen (Bundesagentur für Arbeit, 2021). Zurückzuführen ist dies vermutlich auf durch die Pandemie bedingte fehlende Möglichkeiten der beruflichen Orientierung (z. B. keine Praktika, kaum vor-Ort-Besuche und Informationsmöglichkeiten wie Tag der offenen Tür).
Wie können daher Unternehmen der Lebensmittelbranche dennoch genügend Personal mit entsprechender Qualifikation akquirieren? Startpunkt ist zunächst die Bestimmung der relevanten Zielgruppe für ein spezifisches Arbeitsplatzangebot. Dabei geht es darum, sich über Eigenschaften und Bedürfnisse der Kandidat*innen bewusst zu werden. Dazu zählen einerseits formale Kriterien. Diese umfassen bspw. Mindeststandards in Bezug auf das Ausbildungsniveau bzw. Bildungsabschlüsse, weitere fachliche Qualifikationen sowie soziale, Sprach-, und IT-Kompetenzen. Weiterhin spielt die Region eine Rolle. Es ist zu klären, inwieweit die Zielgruppe lokal, regional, national oder international verortet ist. Andererseits sind subjektive Kriterien für eine psychographische Segmentierung einzubeziehen („Wie tickt meine Zielgruppe“? „Welche Anforderungen stellt meine Zielgruppe an einen Arbeitsplatz“?) an (vgl. bspw. McDonald's Ausbildungsstudien). Ziel soll dabei sein, die Kandidat*innen möglichst bedürfnisgerecht anzusprechen. Zudem ist die Attraktivität des Arbeitsplatzangebotes zu bewerten. Dabei gilt es den Status quo für folgende Bereiche aus Sicht der Zielgruppe zu ermitteln:
Bekanntheit des Unternehmens
Branchenimage
Unternehmensimage
Arbeitgeberimage
In Zusammenhang mit den vorhandenen Wettbewerbern, die ebenfalls um Talente kämpfen, ist die „Marktposition“ des Unternehmens in Bezug auf die Akquisitionskraft zu beurteilen. Je nach Ausgangslage gilt es – darauf aufbauend – Strategien zu entwickeln, um sich erfolgreich am Bewerbermarkt behaupten zu können. Um den Bewerbermarkt zu vergrößern, sind Kooperationen mit Verbänden, Vereinen, Schulen und Hochschulen sinnvoll. Im Falle eines Arbeitskräftemangels ist darüber hinaus zu überlegen, inwieweit die ursprünglich definierte Zielgruppe erweitert werden kann, so dass auch Kandidat*innen mit fachfremder Qualifikation in den Bewerberpool aufgenommen werden. Dies erfordert seitens der Unternehmen ein grundlegendes Umdenken sowie eine nachträgliche Investition in Training und Schulung. Ferner kann der Suchradius erweitert werden (bspw. Erweiterung einer regionalen Akquise auf benachbarte (Bundes-)Länder).
Um einen besseren Zugang zur Zielgruppe zu erreichen, ist eine geeignete Kommunikationsstrategie zu entwickeln, welche Kommunikationsart, -inhalt und -kanal beinhaltet. Dabei gilt es zwischen Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Betriebsführungen, Sponsoring, Tag der offenen Tür) und stellenbezogener Werbung (u.a. allgemeine vs. konkrete Stellenanzeige, Direktansprache, Hochschulkooperationen) zu unterscheiden. In Bezug auf den Inhalt können primäre finanzielle Anreize sowie Entwicklungs- und Weiterbildungsanreize, Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeitsbedingungen und -umfeld (u.a. die Möglichkeit hybrider Arbeitsformen), Unternehmenskultur, Freizeitangebote, Prestige oder Branchenbezüge kommuniziert werden, um die Attraktivität des Jobangebotes zu steigern. Um die Sichtbarkeit bei der Zielgruppe zu erhöhen, sind passende Kommunikationskanäle auszuwählen. Generell fand in den letzten Jahren eine deutliche Transformation der Recruiting-Kanäle statt. Waren vor einigen Jahren noch Stellenanzeigen in Printmedien von großer Bedeutung für die Personalakquise, so stellen heute infolge der Digitalisierung zunehmend online-Angebote (online-Anzeigen, eigene Karriere-Websites, soziale Medien) ein wichtiges Instrument der Personalsuche dar. Mögliche Kommunikationskanäle werden in der Tabelle dargestellt.
Tabelle: Ausgewählte Kommunikationskanäle zur Personalakquise
Um Nachwuchskräfte frühzeitig über Ausbildungsangebote zu informieren, eignen sich möglichst niederschwellige Angebote zum Kennenlernen des Unternehmens, der Aufgaben sowie Belegschaft. Mehrwöchige oder mehrmonatige Praktikumsangebote sind beispielsweise zu empfehlen, um Nachwuchskräfte frühzeitig an das Unternehmen zu binden. Daneben kann es für ein Unternehmen sehr erfolgsversprechend sein, Nachwuchs über ein duales Studium zu qualifizieren. Die Studierenden lernen dabei in der Hälfte ihrer Studienzeit die unternehmensspezifischen Abläufe kennen, in der anderen Hälfte findet ihre akademische Qualifizierung in einer entsprechenden Bildungseinrichtung (z. B. Berufsakademie) statt. Bereits während ihrer Studienzeit können die dual Studierenden selbstständig Aufgaben im Unternehmen bearbeiten. An die Staatlichen Studienakademie Plauen liegt die Übernahmequote der Absolvent*innen in den Studiengängen mit Lebensmittelbezug (Studiengänge „Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit“, „Systemgastronomie-Management“) bei über 90 %, was für dieses Konzept der Nachwuchskräftebindung spricht.
Unternehmen der Ernährungs- und Lebensmittelwirtschaft steht eine Vielzahl unterschiedlicher Strategien zur Personalgewinnung zur Verfügung. Voraussetzung ist die Kenntnis der Zielgruppe und der wahrgenommenen Attraktivität des Arbeitsplatzangebotes aus Sicht jener. Um Personal zu akquirieren, ist es erforderlich, zielgruppenspezifisch zu kommunizieren und die passenden Kommunikationsinhalte und Recruiting-Kanäle in Abhängigkeit des vorhandenen Budgets zu bespielen. Darüber hinaus darf die Erfolgskontrolle nicht vernachlässigt werden, um die finanziellen Mittel in Bezug auf die Personalmarketing-Aktivitäten möglichst optimal einzusetzen. Eine nachhaltige Möglichkeit der Fachkräftebindung stellt das duale Studium dar.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Juliane Kellner-Fuchs und Prof. Dr. Jan-Hendrik Paduch, Berufsakademie Sachsen, Staatliche Studienakademie Plauen