Lamm und Zicklein von Detlev Ueter

Rezension

Bild: Buchcover | Lamm und Zicklein - Warenkunde, Küchenpraxis und Rezepte-Nose zu Tail | Detlev Ueter | Ulmer Verlag 2018

Lamm und Zicklein | Warenkunde, Küchenpraxis und Rezepte-Nose zu Tail von Detlev Ueter | Ulmer Verlag 2018


Das Buch würde von Veganern oder Vegetariern (ok, alles mit *innen) höchstens gekauft, um Nichtgläubigen ihre Fleischeslust auszutreiben, mit all den Bildern von Fleischstücken, Innereien, Hirn und Haxen. Nun gut, bei uns gab es heute Blumenkohlauflauf mit profanem Mischgehacktem von Rind und Schwein. Das übriggebliebene Kartoffelpüree vom Samstag, fand eine sinnvolle und schmackhafte Verwertung. Aber nicht nur die oben erwähnten Fleischlosesser könnten sich entsetzt abwenden, denn die süßen Lämmchen und Zickleinchen gehören doch in die Facebookstorys und Tweeds über bezaubernde Tierkinder. Ja, auch ich erinnere mich an die Tränen, die flossen, wenn ich erfuhr das die Hühnersuppengrundlage von der lieben Henne Berta stammte, um dessen abgeschlagenen Kopf sich die Hofkatzen prügelten. Und ich erinnere mich an Michel aus Lönneberga, dessen Vater meinte, dass Michel ja wohl soviel Bauer sein müsste, um zu begreifen, dass sein Glücksschweinchen zu Schinken und Wurst verarbeitet werden sollte. Als ich vor fast sechzig Jahren in der Matthäuspassion mitsingen durfte: Wo willst du, dass wir dir bereiten das Osterlamm?“ hat mich diese Textstelle nicht mehr sonderlich gestört, denn das Internatsessen, ließ „wählerisch zu sein“ nicht aufkommen. 

Überhaupt zieht sich das Lammthema durch einige Religionen der Erde. Aber Zicklein? Was fällt mir dazu ein? Höchstens Ulla aus der Parallelklasse. Die war eine echte Zicke, dabei wollte ich doch nur ihr Bestes, habe es aber nicht bekommen. Und dann gab es noch den Text: „Die Ziege des Herrn Séguin“ von Alphonse Daudet, mit dem uns der Französischlehrer oder der Deutschlehrer quälte. Egal, es war die selbe Person, glaube ich. Im letzten Urlaub auf meiner Lieblingsinsel stand auf der Tageskarte: „Ziegenwurst mit Bratkartoffeln und buntem Salatteller.“ Ich hab sie probiert und ja, sie schmeckte anders als die im Schweinedarm, aber interessant, neu ungewöhnlich. Genau wie der Ziegenkäse, der im Waldgut Schirmau hergestellt, eher zelebriert, wird. Klasse! 

Nun gut, alle Bedenken von Tierfreunden lasse ich jetzt mal beiseite und wende mich diesem Buch zu. Ich kenne Detlev seit gefühlten Jahrzehnten, hat er doch als Küchenchef im Restaurant Vieux Sinzig gewirbelt und hier sein Kräuterwissen vertieft. Gewirbelt gefällt mir als Verhaltensbeschreibung, denn wenn ich ihn bei der Küchenarbeit beobachtete, hatte ich immer das Gefühl, einen Zeitrafferfilm zu sehen, und ein anderer berühmter Kochkollege bezeichnete ihn als „Düse Detlev“. Ja geht es denn jetzt mal endlich los mit der Rezension fragen sich sicher manche Lesende. Ja, geht es! Das Buch ist kein Kochschmöker mit verschwurbelten Rezeptkreationen. Wie im Titel bereits angedeutet nämlich „Nose to Tail“ wird klar, das Ueter ein Verfechter der „Restlosküche“ ist, ähnlich wie Jean-Marie Dumaine. Ich erinnere mich an eine Diskussion in der Restaurantküche, in der es darum ging ob man ausgekochte Rindsknochen noch einer weiteren Verwendung zuführen könnte, außer Biotonne oder Kompost. Ich bot damals an, die Knochenkiste mitzunehmen und deren Inhalt dem Gartenschredder zuzuführen. Das Gerät spuckte eine schleimige, aber wohlriechende Knochenpaste aus. Umami pur, aber essen wollte ich sie doch nicht in bedeutenden Mengen. Einen Teil warf ich zu Nachbars Hühnern, die sich begierig darauf stürzten und nichts übrig ließen. Der Nachbar fragte mich einige Tage darauf ob ich ihm erklären könnte, warum seine Gefiederten plötzlich Eier legten, dessen Schalen kaum zu knacken wären. Das Problem löste sich einige Zeit später. Den Rest der Knochenpaste vergrub ich auf der Trüffelplantage zur Erhöhung des pH-Wertes. Spätestens jetzt glauben Interessierte, dass ich das Buch gar nicht rezensieren will, sondern nur im Anekdotengeschwafel fest stecke.

Also: Das Buch ist für Menschen geschrieben, die bisher keine Traute hatten, sich Lamm oder Zicklein kulinarisch zu nähern. Es gibt zunächst eine Übersicht über die Rassen, die in diversen Regionen, vorwiegend zuhause sind. Vom Coburger Fuchsschaf bis zur Burenziege. So schön zusammen gefasst, erspart es, Frau Wiki zu befragen. Es folgen, neben Erklärungen zur Fleischreifung,  Abbildungen von Fleischstücken mit Hinweisen welche Stücke sich wofür eignen. Sehr lehrreich auch für Metzger-Azubis und -Gesellen. Da bleibt nichts, was nicht verwertet würde, ob Innereien oder Kotelette, über Rücken, Filets oder Leber. Natürlich folgen die verschiedenen Gartechniken. Sieden, Dämpfen, Pochieren, Sautieren, Schmoren, Gratinieren, Braten, Grillen und und. Einige Seiten beschäftigen sich mit Kräutern und Gewürzen, also Kräuterkunde. Es folgen Fonds, Saucen, Pesto, Dips und Öle, alles überzeugend bebildert. Beispielhaft für nur Filetliebende, zwei brachiale Alternativen auf Seite 136 nämlich Lammkutteln mit Zucchini und Tomate und Ragout von der Lunge mit weißem Balsamico. 

Spätestens jetzt kommt mir der Gedanke an einen Grappa oder einen  Rheinischen Vermouth von Ueter&Herbs, den ich kürzlich probieren durfte.Großartig! 


Fazit: das Buch sollte in keiner ansprchsvollen Fleisch-Küche fehlen, ja, in der Küche und nicht fein säuberlich im Bücherregal herum dümpeln. Detlef ist Behueter des hingebenden Kochens. Die Rezepte sind genial, aber nicht kompliziert, aufgebläht oder selbstverliebt. Werdende Kochende im Gastronomiesektor finden in diesem Buch Anregungen, Anleitungen, Anspruchsvolles, Anderes und Abweichendes von der Stroganowfraktion.


Was als Frage bleibt: Woher bekomme ich und Andere die fleischlichen Zutaten? Forschen in der Region, es gibt sie, die nachhaltigen Tierehalter, die auch schon mal sagen: “Tut mir leid, nächste Schlachtung erst in drei Wochen“. Oder wie Detlef Ueter in der Einleitung schreibt: „Regional und nicht aus Massentierhaltung soll das Fleisch sein. Und Schaf und Ziege spenden uns gleich in mehrfacher Hinsicht Nutzen.“ Nein Detlev, das muss gesagt werden. Ich weiß, was du mit „spenden“ meinst. Was das Fleisch angeht, ist das auf Lamm - und Zickleinseite nicht freiwillig. Zwinker.


Euer

Frank Krajewski

Lamm und Zicklein - nose to tail

Warenkunde, Küchenpraxis und Rezepte

von Ueter, Detlev | Ulmer Verlag 2018