Allein in Deutschland werden über 84 Milliarden Euro für Außer-Haus (in Neudeutsch: Out-of-Home: OOH) konsumiert! Tendenz steigend! Hier ist der Non-Food-Bereich nicht inbegriffen: z. B. Kücheneinrichtungen, Geschirr, Reinigungsmittel, etc…
Im Klartext:
Der Foodservice-Bereich trägt einen erheblichen Beitrag zur Volkswirtschaft und zum BIP. Beispiel das Oktoberfest, Ursprung München, wird jetzt in ganz Deutschland, nein in der ganzen Welt gefeiert und als Anlass genutzt, um Geschäfte zu machen. Ich konnte am Hamburger-Flughafen beobachten wie sowohl Touristen aus Asien wie aus Amerika Dirndl (Bayrische Tracht), Krüge, etc. kauften! Dies in Hamburg! Es wird geschätzt, dass das Wort „Oktoberfest“ mindestens ca. 1,2 Mrd. € schwer ist. Jahr pro Jahr!
Somit haben Unternehmen – sowohl Produzenten wie Handelsunternehmen - festgestellt, dass es neben dem Einzelhandel-Kanal (vom Laden an der Ecke bis zur Supermarktkette) einen Außer-Haus-Markt gibt! Unternehmen stellen fest, dass die Gesellschaft sich ändert, dass der Konsument wegen viele Gründe (Zeitmangel, „Ver-Singel-lung“ der Gesellschaft, etc.) mehr mobil isst: man isst wo man ist. Und man trifft sich draußen in „public-living-rooms“, wo man konsumiert, nicht allein ist. Die Umsätze im Einzelhandel entwickeln sich nicht mehr durch die veränderten Verzehrgewohnheiten des Konsumenten. Und Lebensmittelhersteller sind abhängig (Geisel?) von vier großen Retail-organisationen, die über 80 % des Umsatzes in Deutschland tätigen. Bekanntlich sind die Regale in den Supermärkten nicht unendlich ausdehnbar.
Ich habe in meiner Karriere sehr oft Führungskräfte von Unternehmen klein und groß gekreuzt, die mir erklärt haben, dass sie im Außer-Haus einsteigen oder investieren wollen… Und diese später getroffen, verzweifelt, weil es nicht funktioniert hat…
Hier ein Paar Gedanken, über die sieben Kapitalfehler, die viele Unternehmen machen:
Time to market zu unterschätzen:
Um im Einzelhandel ein Produkt zu listen, muss ein Hersteller nur genügend Listungsgeld mitbringen. Wenn das Produkt einschlägt und der Konsument das Produkt kauft, super. In kürzeste Zeit ist das Produkt überall in Deutschland zu kaufen. Wenn es nicht funktioniert, „tant pis“ dumm gelaufen… Das nächste Produkt, der nächste Hersteller wartet ja schon! Ein Unternehmen, das sich im OOH-Markt etablieren will, muss Zeit mitbringen, warum erklären wir weiter.
Es gibt nicht EINEN Außer-Haus-Markt: Nein, es gibt viele Märkte.
Viele Marktsegmente die man bedienen kann als Hersteller. Ein Unternehmen muss sich im Klaren sein, dass es eigentlich viele OOH-Märkte gibt: die Küche eines Krankenhauses oder Großkantine hat ganz andere Ansprüche, Bedürfnisse, als ein Sternerestaurant oder das Quick-Service-Restaurant.
Es reicht nicht erfolgreiche Einzelhandelsprodukte/Marken einfach in größere Packungen anzubieten:
Ein Koch in der Küche, der Bäcker, der belegte Brötchen anbietet, kann sehr oft nichts mit nur vergrößerten Packungen – auch von erfolgreiche Retail Produkte – anfangen. Ein Produkt muss genügend Selbsteigenschaften mitbringen, weil es im Außer-Haus-Markt viel mehr strapaziert, wird: er wird auseinandergenommen, verkocht, an längere Standzeiten ausgesetzt. Der Endkunde (im Klartext das Produkt kaputt-Macher, der Endverzehrer) der Kunde des Kochs/ der Bäckerei isst was er auf dem Teller bekommt. Hier erreicht die Marke – mit ein paar Ausnahmen: z. B. Getränke, wenn sie in Flasche serviert werden – selten der Endkonsument. Oder man muss dem Verkäufer (Restaurantbesitzer, Bäcker der Snack anbietet das so schmackhaft, dass er die Marke des Produktes kommuniziert).
Die Komplexität der Vertriebswege im Foodservicebereich zu unterschätzen:
Es gibt viele Handelswege, bis das Produkt zur Küche kommt. Hier ist der vermeidliche einfache Weg nicht unbedingt der Beste. Zum Beispiel: Als ich ein Konzept wie „Crème brulée“ aus Frankreich in Deutschland einführen wollte, haben meine Mitarbeiter von damals an Messen von Fachgroßhändler, die die Gastronomie als Hauptkundschaft bedienen, teilgenommen. Zusätzlich der Außendienst dieser Fachhändler geschult, um dass sie als Multiplikator dienen. Meine zu dieser Zeit unterstellte Vertriebsmannschaft hat sogar Endverwender besucht: die Köche von große Tagungshotels mit Restaurants wurden auf das neue Produkt geschult.
Packungen von Crème brûlée einfach in Regalen von Cash & Carry zu setzen, hätte nichts gebracht. Ohne eine Berücksichtigung der Komplexität der Vertriebswege des OOH-Marktes, wäre Crème brûlée heute nicht dieses erfolgreiche Produkt geworden, was man von der Ostsee bis zum Bodensee genießen kann.
Nicht genügend Ressourcen im Unternehmen bereitstellen:
Sehr oft habe ich gehört dies vom Anfang meiner Berufslaufbahn bis heute von Geschäftsführer, Inhaber: „unsere Foodservice Division ist sehr wichtig für uns, als Unternehmen“. Wo wird vorab in Personal, Marketingmaßnahme gespart, wenn die Planung nicht erreicht wird? Zuerst im Foodservice Bereich. Von denselben Entscheider, die vorab gesagt erklärt haben, wie wichtig es ist, dieser Markt zu bedienen und zu erobern. Oder nicht genügend Ressourcen einer Foodservice-Abteilung zu geben: das kann bei der R&D beginnen über Marketingressourcen bis zur Vertriebsmannschaft.
Wenn man den Everest besteigen will, packt man keine Turnschuhe ein!
Keine klaren Ziele dem Unternehmen geben – nichts fokussieren:
Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens objektiv zu analysieren: kein Unternehmen verfügt über ein Alles-Wissen, kein Unternehmen verfügt über eine unendliche Kriegskasse. Deshalb sollten die Führungskräfte im eigenen Unternehmen Stärke und Schwächen objektiv analysieren. Eine Marktanalyse gegenstellen und somit klare Ziele formulieren. In meiner Karriere habe ich selbst solche schmerzlichen Schritte gehen müssen: ich hatte in einem Unternehmen gearbeitet, was über ein hervorragendes Sortiment zum Belegen von Snacks verfügte. Obwohl das Unternehmen auch Produkte für das Hotellerie-Frühstückbuffet im Portfolio hatte, habe ich auf diesem großen Markt absichtlich verzichtet. Weil ich weder auf genügend Personal verfügte und das Produkt-Portfolio nicht groß genug war, um diesen Markt erfolgreich zu erschließen. Somit haben wir uns auf dem Markt prioritär konzentriert, wo der Mix zwischen Produktangebot, Marketingkonzepte und Qualität der Mitarbeiter wie Wachstumschancen stimmte.
Und somit den Umsatz der Division innerhalb von paar Jahren verdoppeln können. Hätten wir diesen – vermeintlichen harten Schritt der Fokussierung auf ein OOH-Teilmarktes in Adekation mit den Stärken des Unternehmens nicht vorgenommen, würde diese Foodservice-Division in dieser Form nicht mehr existieren.
Im Volksmund würde man sagen: Nichts anbrennen lassen zu wollen kann tödlich sein!
Am Personal sparen / Gehälter falsch einstufen:
Dieser Fehler wird meistens von Unternehmen die hauptsächlich im klassischen Einzelhandel unterwegs sind, begangen. „Wir wollen den OOH-Markt erobern“, heißt es auf der Chef-Etage. Dann schaut man sich im Unternehmen um, auf wem man im Vertrieb und Marketing verzichten kann!! Anstatt die Besten auszusuchen, um diesem neuen Markt zu erobern, hält man Ausschau und stellt die Leute für diesen Markt ab, die schon vorher keine Überflieger waren. Meine Großmutter sagte schon: Aus einem Maulesel macht man kein Rennpferd!
Oder schlimmer noch bewertet die Qualität der Arbeit der Mitarbeiter nur auf Basis der Größe des Umsatzes. Es gibt Beispiele von Unternehmen, die solche Systeme einführen ohne nachzudenken und Komplexität eines Marktes, die notwendige Professionalität zu berücksichtigen um das Personal zu „graden“ und somit die Gehälter zu „ranken“… Ich habe ein Unternehmen erlebt, wo die die Foodservice Mitarbeiter „geringer“ eingestuft wurden, weil die von ihnen bewegten Tonnagen geringer waren, als die vom Retail! Und obwohl die Rentabilität der Foodservice-Umsatz (ROI) pro € wesentlich höher war. Und somit entweder die Besten Mitarbeiter weggingen bzw. ihre Motivation verloren, weil die Bezahlung der Gehälter an das „Grading“ im Unternehmen angepasst wurde. Hier wurde ein System von einem amerikanischen Unternehmen erfolgreich an einem alten ansässigen europäischen Unternehmen verkauft und umgesetzt ohne Herz und Verstand. Und dafür ist die Chef-Etage verantwortlich, weil sie den OOH-Markt komplett unterschätzt.
Als Letztes habe ich absichtlich das Thema Menschen angesprochen. Nur gut ausgebildete Frauen und Männer machen Geschäfte, gute Geschäfte, freuen sich auf Erfolge. Und bringen Unternehmen nach vorne, entdecken und bieten neue Konzepte an, wo wir – als Endkonsument - Spaß haben.
Viel Erfolg wünscht Ihnen Ihr
Serge Weimann
Ein Beitrag von Serge Weimann