SALZLOS GENIESSEN MIT KRÄUTERN UND GEWÜRZEN | Rezepte mit aromatischen Alternativen zu Salz | LV.Buch-Verlag 2019

Um es vorweg zu nehmen. Dieses Buch ist kein Hollywood-Diät- oder Gesundheitskochbuch. Es hat mich aber erwischt, ich bin SWF geworden. Nein, nicht Südwestfunk, sondern Salt Watching Frank. Ich lese, seit ich dieses Buch habe, den Aufdruck auf Senfgläsern, Zahnpasta, Zitronentee, Instant-Kaffeepulver, Tiefkühldoraden und Fertigpizza. Nicht, dass ich alles im Haus hätte, aber der Supermarktbesuch dauert zum Missvergnügen von Mitbesuchern viel länger und im Auto präsentiere ich dann, wieviel Gramm Salz ich zusammengezählt habe, sowohl im Laden, als auch im Einkaufskorb. Und zu Hause nerve ich weiter, indem ich alles genau niederschreibe. Und das alles nur, weil der Brief von der Krankenversicherung mir ein bis zwei schlechte Gewissen bereitet hat. Da steht, dass ich die Gesamtfettmenge auf sechzig Gramm pro Tag reduzieren und auf versteckte Fette achten soll. Und auf Cholesterin innerhalb von Bratwurst (gab's gestern Mittag), Chips (gab´s gestern Abend in der Spielbank) und ungesättigte Fettsäuren. HDL, LDL, Triglyceride usw. Ok, die versteckten Fette finde ich leicht wieder, schließlich bin ich Herr der Ringe, unter den Augen und besonders um die Hüften. Und dann könnte ich noch das salzarme Video mit QR-Code auf mein Smartphone laden. Smartphone, wenigstens das ist schlank, aber auch wenig tailliert. Das tröstet. Und dann auch noch NaCl, also Salz, weglassen, wie Michael Hanssen nahelegt und dieses im Buch schmackhaft begründet. Vergangene Woche hat mir eine gute Freundin Quellsalz aus Portugal geschenkt. Ohje! Ja, Michael hat seinen Infarkt bereits gehabt und hat mit Sicherheit eine andere Motivkonstellation, salzarm zu genießen. Er meint aber nicht salzlos zu kochen, sondern seine Rezepte im Buch verzichten auf zugesetztes Salz. Aha, das klingt schon beruhigend und jeder, der in Biologie aufgepasst hat, weiß, dass Salz für uns Menschen unverzichtbar ist. Aber Salz ist in Nahrungsmitteln an sich schon genügend vorhanden, um physiologische Abläufe in Gang zu halten. 

Ehrlich gesagt habe ich mir bisher wenig Gedanken über den Unterschied zwischen Kräutern und Gewürzen gemacht. Michael Hanssen erklärt es sehr verständlich. Kräuter sind einheimische Pflanzen, die in unserem gemäßigten Klima wachsen, während Gewürze von exotischen Pflanzen stammen, die in tropischen Regionen gedeihen und aus Pflanzenteilen hergestellt werden, wie Samen, Rinde, Blüten, Beeren, Früchte, kerne oder Wurzeln. Oft in getrocknetem Zustand zu erhalten. 

Ab Seite neunzehn legt er dann los. Michael der Listenreiche, denn es folgen sechs (!) Seiten mit Kräutern und Gewürzen von Basilikum bis Zitronensäure. Dann wird es geschichtlich, es geht Jahrtausende zurück, die Gewürzrouten werden gedanklich nachgezeichnet, von Ägyptischen Tontafeln bis zu den Schiffen der Ostindischen Kompanie. 

Es folgen die Kräuter und Gewürzmischungen für Vorspeisen, dann Hauptspeisen, akribische Beschreibungen von Currypulver und das indische Wort für Gewürzmischung nämlich Masala. Ich werde meinen Freund Jaspreet Dhaliwal-Wilmes fragen, der das Restaurant Der Vierte König in Köln zelebriert, ob er diese Mischung auch veredelt. 

Aber auch für Dessert zieht Hanssen Gewürzmelangen zu Rate, z.B. Apfelkuchengewürz, Kuchen- und Spekulatiusgewürz. Da fällt mir ein, dass ich gestern auf Spekulatius spekuliert und eine Tüte gekauft habe. Mir schmecken die Gewürzspekulatiusse besser als die butter getränkten. Man/ich/sie/er kann die ersten Knabberkekse so wunderbar in Kaffee zoppen, wie es im Rheinland heißt. Natürlich werde ich vor dem Genuss erst den Salzgehalt prüfen und dann...? Mal sehen. 

Die Rezepte, die jetzt folgen sind nicht irgendwie versponnen, sondern eher profan, bis üblich. Allerweltsküche lesen Uniformierte. Da gibt es Pommes Frites mit Majonaise, Boeuf Bourguinon, Omas Hackfleischbällchen, Muscheln mit Senfsoße, Sahnige Linsensuppe mit Harissa (Gewürzmix, S.55).

Fisch Marrakesch oder Moelleux au Chocolat, auch als Chocolat Lava Cake bekannt. Wir wissen ja, der flüssige Kern führt auf der Zunge zum kulinarischen Vulkanausbruch, ebenso wie Mokka-Zabaglione mit Apfelkuchengewürz. Am Schluss des Buches gibt es wieder Listen mit Gewürzkombinationen für Fisch und Fleisch, sowie für Gemüse, dann folgt das umfangreiche und akribische Register. Apropos Senfsoße. Gestern habe ich auf dem scharfen Senf zur Bratwurst gesehen, dass pro einhundert Milliliter 6,5 Gramm Salz schlummern. Boey! Der Autor empfiehlt salzlosen Senf. Mal sehen, wo ich den erwerben kann. Etwas Kritik muss ich der Aufmachung des Buches widmen. Sehr viele Seiten sind schwarz mit weißer Schrift. Ich habe eine leichte Allergie bei Ausdünstungen von Druckerschwärze. Augentränen, Naselaufen, Atemhemmnis. Bei diesem Buch ist es erträglich und ich weiß auch nicht genau ob vielleicht die Begeisterung für die anregende Bebilderung in Ira Schneider Qualität und die genau beschriebenen Rezepte eben zu diesen Phänomenen führen. Je mehr ich im Buch lese, desto mehr duften die salzlosen Ingredienzen heraus. Da meine Nachbarin mir heute einen Korb mit den letzten Tomaten für dieses Jahr ans Gartentor gestellt hat, werde ich Tomatenketchup versuchen und zwar genau so nachkochen, wie die Anleitung auf Seite 133 es empfiehlt. Psst, es sind noch zwei Bratwürste im Kühlschrank. Mein Ketschup plus Hannsens Malaysisches Currygewürz, ich wage kaum, daran zu denken. Mundabwisch! 

Aus unserer Küche dringt gerade ein betörender Duft von Spießbraten in meine Gemächer. Dazu gibt es ein Gratin aus den wunderbaren Kartoffeln von Wilfried Odenthal. Ob diese Genüsse ohne zugesetztes Salz möglich werden? Heute sage ich mal nichts, vielleicht morgen. Und was mache ich mit der Tüte Quellsalz aus Portugal? Das hat wirklich Geschmack. Es gab übrigens heute doch kein Gratin, sondern Rosmarinkartoffeln in der Schale. Etwas Quellsalz, ganz ganz wenig. Ehrlich, zwei Krümel. Ich habe das Buch umgedreht. Zwinker. Michael, super und Danke.

It`s raining chef hats! Hallo Julia

Euer

Frank Krajewski